Anlässlich des heutigen Welttags gegen Homophobie wollen wir als Stiftung Bethanien nicht nur Farbe bekennen für mehr Toleranz in Sachen Diversität – denn Bethanien ist bunt. Wir möchten Mut machen mit der Geschichte der Familie Windler.
Wiebke Windler und ihre Ehefrau sind zwei bewundernswerte Persönlichkeiten. Politisch fragwürdiger Entscheidungen und vor allem Nicht-Entscheidungen zum Trotz leben sie ihr Konzept von Familie – mittlerweile mit zwei Töchtern, die beide im Krankenhaus Bethanien geboren wurden. Marla ist gerade einmal zehn Wochen alt. Ihre große Schwester Ida feierte vor Kurzem ihren vierten Geburtstag. Dass sie zwei Mamas hat, ist für die Vierjährige etwas ganz Normales – und für die Mehrheit unserer Gesellschaft glücklicherweise auch.
Die beiden Schwangerschaften
Vor rund fünf bis sechs Jahren entschlossen sich Wiebke Windler und ihre Frau dazu, eine eigene Familie zu gründen. In einer niederländischen Kinderwunschklinik wurde das Vorhaben mit einer offiziellen Samenspende Wirklichkeit. „Wir haben uns aktiv für die Klinik in den Niederlanden entschieden, weil wir von Kliniken in Deutschland immer mal wieder gehört hatten, dass lesbische Paare mit Kinderwunsch für eine Behandlung abgelehnt wurden. Das wollten wir vermeiden“, erklärt die 38-Jährige. Für die künstliche Befruchtung wählte man die so genannte ROPA-Methode. Diese ermöglicht es beiden Frauen eines lesbischen Paares, aktiv an der Schwangerschaft teilzunehmen. Eine Frau spendet ihre Eizellen, während die andere den Embryo in ihrer Gebärmutter empfängt und die Schwangerschaft ausführt. Das war auch bei Wiebke Windler der Fall, die Tochter Ida vor vier Jahren im Krankenhaus Bethanien zur Welt brachte. Dr. Peter Tönnies, Chefarzt der Klinik für Gynäkologie, Geburtshilfe, Senologie & Gynäkologische Onkologie, erinnert sich noch heute an die besonderen Umstände: „Frau Windler kam in der 19. Schwangerschaftswoche zu uns und musste erst einmal wochenlang strikte Bettruhe einhalten, damit es nicht zu einer spontanen Frühgeburt kommen konnte. Acht Wochen schafften wir es, das Baby im Bauch zu halten. Dann kam die erste Tochter Ida als Frühgeborene in der 27. SSW zur Welt.“ „Das war wirklich eine besondere Zeit. Mitten im ersten Lockdown kamen meine Frau und ich ins Krankenhaus Bethanien. Wir hatten hier ein schönes Zimmer. Anderer Besuch war zu dieser Zeit nicht möglich, aber wir hatten uns und wurden sehr nett aufgenommen“, erzählt die Lehrerin, die unter anderem Deutsch als Fremdsprache unterrichtet.
Für die zweite Schwangerschaft entschied sich das Ehepaar, dass Wiebke Windlers Frau diese ausführen sollte. Außerdem wählten die beiden für die zweite Geburt wieder das Krankenhaus Bethanien. „Es stand für uns nicht zur Debatte unser zweites Kind irgendwo anders als hier zu bekommen. Wir haben uns die ganze Zeit über so wohlgefühlt. Keiner hat unsere Familiensituation als komisch aufgefasst oder uns anders behandelt“, betont die frischgebackene Zweifachmama. „Bis zur 39. Schwangerschaftswoche war es wirklich eine entspannte Schwangerschaft für meine Frau.“ Bei einer Kontrolluntersuchung wurde dann jedoch ein erhöhter Blutdruck festgestellt. Um das Ganze hinsichtlich einer Präeklampsie abklären zu lassen, wurde die Ehefrau vorsorglich ins Krankenhaus geschickt. Bei einer Präeklampsie steigt der Blutdruck der Schwangeren an und es kommt zu einer vermehrten Eiweißausscheidung im Urin. „Als die Medikamente gegen den Bluthochdruck nicht wirkten, ging alles ganz schnell. Innerhalb von fünf Minuten wechselte man von der Aussage ,Wir leiten ein.‘ hin zu ,Wir holen das Kind jetzt per Kaiserschnitt.‘ Ruckzuck waren wir zu dritt und unsere Tochter Marla da. Nach drei Tagen konnten wir wieder nach Hause. Meine Frau und ich sind sehr glücklich mit unseren zwei gesunden Kindern. Ida ist eine stolze große Schwester“, berichtet Wiebke Windler über ihre kleine Familie.
Gesellschaftlich top…
Die Mutter von zwei Mädchen erklärt: „Ich habe nie schlechte Erfahrungen gemacht, was meine sexuelle Orientierung oder meine Lebensgestaltung angeht. Unsere Gesellschaft hat sich weiterentwickelt. Meine Familie und ich leben in einem kleinen Dorf, selbst hier gab es keine negativen Reaktionen.“ In beruflicher Hinsicht als Lehrerin kann Wiebke Windler ebenfalls nur Positives berichten. „Meine Schülerinnen sowie Schüler und ich haben ein gutes Verhältnis zueinander. Wenn ich ihnen irgendwann kommuniziere, dass ich lesbisch und mit einer Frau verheiratet bin, die zum damaligen Zeitpunkt unser zweites Kind bekam, ist das nur ein weiteres Detail zu meiner Person, mehr nicht. In den Willkommensklassen, in denen Schülerinnen und Schüler sind, die mehrheitlich einen anderen kulturellen Hintergrund haben und erst seit kurzem in Deutschland sind, hieß es dann auch schon mal ,Frau Windler wird Papa!‘“, resümiert die 38-Jährige mit einem Lachen. „Das Ganze imponiert mir sehr. Wie die Familie mit dem Thema umgeht und vor allem, wie der Umgang miteinander ist“, betont Dr. Tönnies.
… politisch ein Flop
In Sachen öffentliche Aufklärung besteht hingegen noch Aufholbedarf. „Vieles hat sich in den letzten Jahren geändert. Das Eherecht für gleichgeschlechtliche Paare zum Beispiel. Das Abstammungsrecht hat sich jedoch leider nicht zum Vorteil homosexueller Paare verändert“, erklärt Wiebke Windler. „Unsere Kinder sind aktuell nicht abgesichert, wenn ihrer leiblichen Mutter etwas passiert. Ich beziehungsweise meine Frau sind jeweils ‚nur‘ die Stiefmutter. Um Ida und Marla abzusichern, müssten wir einen offiziellen Adoptionsprozess mit allem, was dazu gehört, durchlaufen. Und dass, obwohl wir verheiratet sind und auch sonst alle Voraussetzungen erfüllen, um in den Geburtsurkunden unserer Kinder als zweiter Elternteil genannt zu werden“, stellt die Lehrerin heraus. „Das ist ganz klar diskriminierend und nicht gerecht. Mir war nicht bewusst, dass es nach wie vor solche Hürden für in diesem Fall lesbische Paare mit Kindern gibt“, ergänzt Dr. Tönnies. „Durch Corona kam vieles anders. Das Gesetz, das vorsieht, dass bei verheirateten gleichgeschlechtlichen Paaren die Elternschaft jeweils direkt anerkannt wird, wurde bislang nicht verabschiedet. Es bleibt abzuwarten, ob und wann sich hier etwas ändern wird. Für uns bedeutet das bislang eine fehlende Absicherung unserer Kinder. Sollte sich hieran nichts ändern, werden wir den Weg der Adoption gehen (müssen)“, erklärt Wiebke Windler. Am Ende hat die Mutter noch einen Appell: „Representation matters. Es ist wichtig für diese Sache einzustehen und öffentlich darauf aufmerksam zu machen.“