16.12.19

Neue Arzt-Patienten-Kommunikation geht in die Praxis

Ein Team aus dem Krankenhaus Bethanien entwickelte das Konzept mit

Ein Patient muss seinen Arzt verstehen – und umgekehrt. Das ist sogar gesetzlich verankert. Doch nicht nur den Patienten fällt es oft schwer, das, was sie bewegt und quält, auszudrücken und in Worte zu fassen. Auch auf Seiten der Ärzte ist dafür ein tiefgehendes Sprachverständnis erforderlich. Was bedeutet es, wenn ein Patient sagt, dass ihm etwas „auf den Magen schlägt“, dass er einen „Kloß im Hals“ oder „die Nase voll“ hat? Was ist wenn „das Blut in den Adern gefriert“, ein „Frosch im Hals sitzt“, etwas „an die Nieren geht“, „das Herz in die Hose rutscht“ oder „Blut und Wasser geschwitzt“ wird? Ärzte und Patienten müssen über z. T. schwierige medizinische Sachverhalte so kommunizieren, dass sie inhaltlich und emotional verstanden werden. Diese Sprachkompetenz ist eine wesentliche Komponente einer vertrauensvollen Beziehung von Arzt und Patient. Doch in vielen Kliniken gehören frustrierende Sprachbarrieren längst zum Alltag. Neben dem technischen und strukturellen Ringen um die Zukunftssicherung der Kliniken wird die Kommunikation zwischen Arzt und Patient als ein wesentliches Qualitätsmerkmal und damit auch als Standortvorteil oft unterschätzt.

Damit die Verständigung zwischen Arzt und Patient und auch im interprofessionellen Team im Krankenhaus gelingt, müssen also Landes- und Fachsprache beherrscht werden. Die Sensibilisierung für kulturelle Hintergründe und ein empathisches Verständnis für individuelle Bedürfnisse sind aber die entscheidenden Faktoren einer guten Arzt-Patienten-Beziehung.

Ein didaktisches Programm, das genau diese Problematik aufgreift und die Kommunikation zielgerichtet fördert, gab es bisher nicht. Ein gemeinsames Projekt des Universitätsklinikums Essen und den Akademischen Lehrkrankenhäusern Stiftung Krankenhaus Bethanien Moers sowie Alfred Krupp Krankenhaus aus Essen setzt genau hier an: Das Modellprojekt EI-AP-K (Empathische-Interkulturelle-Arzt-Patienten-Kommunikation) hat zum Ziel, Ärzte, die mit einem fremdsprachlichen Hintergrund integriert werden, in den Arbeitsalltag in den Kliniken zu integrieren.

Eine interdisziplinäre Expertengruppe hat ein „train-the-trainer“-Curriculum entwickelt, mit dem zukünftig ein Tandem aus Ärzten und Sprachdidakten zu Dozenten für die Kliniken ausgebildet werden. Diese sollen die Ärzten in der Arzt-Patienten-Kommunikation vor Ort sprachlich, kommunikativ und kulturell schulen. In dem Programm wurden beispielsweise Module zur Kommunikation, Simulation und Sprachdidaktik entwickelt. Das Unterrichtskonzept richtet sich zunächst an Kliniken in NRW, kann aber bundesweit in Anspruch genommen werden.

Aus dem Krankenhaus Bethanien haben Andrea Kroekel, Leitung des Fachbereichs Kommunikation und Sprachförderung der Bethanien Akademie, und Prof. Dr. Stefan Möhlenkamp, Chefarzt der Klinik für Kardiologie, das Programm maßgeblich mitentwickelt. Andrea Kroekel vermittelt Fachsprache und empathische Kommunikation in der Bethanien Akademie mit einem hauseigenen Sprachkonzept. u.a. zur Förderung von Personal, das Deutsch als Fachfremdsprache im medizinischen Kontext erlernt. Die theoretische Arbeit in der Arbeitsgruppe und ihre tägliche Praxis im Unterricht befruchteten sich gegenseitig. Prof. Dr. Stefan Möhlenkamp war es ein bedeutendes Anliegen, sich für die bessere Verständigung in der Arzt-Patienten-Kommunikation einzusetzen: „Wir haben uns an unser sehr gutes Sprach- und Kommunikationskonzept in der Bethanien Akademie schon gewöhnt. Das berufsbegleitende Training der Arzt-Patienten-Kommunikation, das die Bereiche der Interkulturalität und Empathie mitbedenkt, und von dem auch die in Deutschland aufgewachsenen und ausgebildeten KollegInnen profitieren, ist alles andere als selbstverständlich. Es fördert und stabilisiert insbesondere die jungen Ärztinnen und Ärzte im Alltag. Und wir können uns erlauben, die besten Kolleginnen und Kollegen nach fachlicher und menschlicher Qualifikation und nicht nach bereits vorhandener (Fach-)Sprachkompetenz auszuwählen. Letzteres bringen wir ihnen rasch bei.“

Das Projekt EI-AP-K wurde im Jahr 2015 mit Fördergeldern des Ministeriums für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen (MGEPA) im Umfang von rund 1 Mio. Euro initiiert und wird in diesem Jahr seinen Abschluss finden. Nach einem finalen Symposium soll es öffentlich vorgestellt werden.

 

Pressefoto: Auf dem Abschlusssymposium des Projekts EI-AP-K (Empathische-Interkulturelle-Arzt-Patienten-Kommunikation) kamen Prof. Dr. Joachim Fandrey, Prodekan für Studium und Lehre, Universitätsklinikum Essen, Dr. Stefanie Merse, Leitung des Simulations-Patienten-Programms und Projektleitung EIAPK, Universitätsmedizin Essen, Eva-Maria Derksen, Referentin für Personalentwicklung, Alfred Krupp Krankenhaus Essen, Helene Hamm, Referatsleitung MAGS, Andrea Kroekel, Leitung des Fachbereichs Kommunikation und Sprachförderung, Bethanien Akademie Moers, Rudolf Jelinek, 1. Bürgermeister der Stadt Essen, Prof. Dr. Stefan Möhlenkamp, Chefarzt Kardiologie und Intensivmedizin, Bethanienkrankenhaus Moers, Eva-Maria Nilkens, Leiterin der Bildungsakademie der Universitätsmedizin Essen, Herr Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein (v. l. n. r) zusammen. (Foto: Universitätsklinikum Essen)